newsletter Behindertenpolitik

vierteljährliche Beilage von "BioSkop"

Der „newsletter Behindertenpolitik“ oder kurz newsletter ist kein autonomes Zeitungsprojekt von und für Krüppel/frauen, wie es sich wohl die meisten Behindertenbewegten wünschen würden. Dafür fehlten aber zu Beginn des Jahrtausends die personellen und finanziellen Kapazitäten.

Als die Randschau im Jahr 2000 ihr Erscheinen einstellte, war es Martin Seidler von der damaligen Randschau-Redaktion, der weiter machen wollte. 

Über den Verein 
„Bioskop Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften“ (kurz BioSkop) 
konnte eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eingerichtet werden. Inhaltlich sollte mit der Stelle eine Zeitung und ein Nachrichtendienst aufgebaut werden. Damit wurde der Grundstock für weitere Ausgaben gelegt. Nach einer Nullnummer erscheint der newsletter seit dem Sommer 2000 vierteljährlich als Beilage des Bioskops.

 

Manche werden sich fragen, warum für die Fortführung einer behindertenpolitischen Zeitschrift die Zusammenarbeit mit BioSkop gewählt wurde.

Der Grund dafür liegt in einer gemeinsamen Vorgeschichte des Protestes von Behinderten- und Frauenbewegung. Seit den 1980er Jahren haben sich in diesen Zusammenhängen konträre Positionen gegen die modernen Gen- und Reproduktionstechnologien, gegen die um sich greifenden eugenischen Tendenzen und gegen die Sterbehilfe/Euthanasie-Diskussionen bei Kranken, Schwachen und Behinderten entwickelt. Das spiegelt sich auch in den Ausgaben von BioSkop und newsletter. Viele Themen ergänzen sich und sind wechselseitig aufeinander bezogen.

 

Selbstverständlich fanden und finden sich die klassischen behinderten/krüppelpolitischen Themen in den Ausgaben. Manche Beiträge verdanken wir früheren AutorInnen der Randschau oder Krüppelzeitung. Insofern setzt der newsletter zum Teil die Traditionen der vorangegangenen Zeitungsprojekte fort. Es gibt aber auch Unterschiede. Allein der Umfang von zunächst vier, dann acht Seiten schließt eine weitergehende Berichterstattung über viele wichtige Themen aus. Wesentlicher sind aber veränderte äußere Bedingungen, die zu anderen Akzenten in der Medienarbeit geführt haben. So sind seit der Jahrtausendwende die Zeiten vorbei, wo größere und kleinere Aktionen die Szene stark berührten und aufwühlten. Das drückt sich natürlich in den Inhalten aus. Artikel über Blockaden, Sprengen von Veranstaltungen oder anderen Akten zivilen Ungehorsams finden sich seltener im newsletter. Im vorherrschenden Inklusionsklima kann oft nur ein kritischer Einspruch veröffentlicht werden.

 

Das Internet hat darüber hinaus die Struktur der Öffentlichkeitsarbeit verändert. Einige frühere behindertenpolitische ZeitungsautorInnen haben sich den Online-Medien zugewandt. Das hat beim Print-Medium newsletter im zeitlichen Verlauf zur personellen Ausdünnung geführt. Umgekehrt hat das Internet neue berichtenswerte Themenzugänge ermöglicht. Die heute übliche Online-Präsenz hat den newsletter aber auch bei Menschen mit und ohne Behinderung bekannt gemacht, die offline niemals zu erreichen gewesen wären.

 

Im Verlauf von fast fünfzehn Jahren hat es in der Redaktion zwangsläufig einige Veränderungen gegeben, personell, inhaltlich und im äußeren Erscheinungsbild. Die ersten Jahre zunächst im Rahmen der ABM-Vorgaben (Aufbau eines Nachrichtendienstes) bis zum Ausscheiden Martin Seidlers dominierte im newsletter der Teil mit Kurzmeldungen. Das hatte sicher für viele Betroffene einen gewissen Gebrauchswert, der heute so nicht mehr existiert. Praktische Bedeutung hatten in der ersten Phase auch viele juristische Kommentare von Christian Winter. Darüber hinaus deutete er manche Gesetzesentscheidungen und Gerichtsurteile in ihrer grundsätzlichen Bedeutung für die Lebenssituation behinderter Menschen.

 

Das Jahr 2006 markierte für den newsletter eine neue Phase. Von der alten Redaktion war nur noch Volker van der Locht aktiv. Unterstützung gab es aus dem Kreis früherer Randschau-Mitstreiter. Jörg Fretter, erfahrener Layouter der Randschau, gab dem newsletter ein neues Outfit. Und Thomas Schmidt trug mit verschiedenen Artikeln sozial- und kulturkritischen Inhalts zu einem geschärften Blick auf behindertenfeindliche Strukturen bei. Der kürzere Meldungsteil wurde durch Analysen, Interviews, Reportagen und kulturellen Beiträgen gefüllt. Besonders Buchbesprechungen zu behindertenpolitischen Themen, schon von Beginn an im newsletter enthalten, werden immer häufiger Bestandteil der Ausgaben. Kontinuierlich in allen Nummern erscheint die historische Kolumne von Volker van der Locht. Anfangs „Vor 60 Jahren“ und ab Nummer 11 „Vor 70 Jahren“. 

2020 erscheint der newsletter im 21. Jahrgang. Wie es künftig weiter geht?

 

Lassen wir uns positiv überraschen.

 

Volker van der Locht, Essen