1933-1945

Chronologie 
Historischer Artikel 
im newsletter Behindertenpolitik

 

Der „Historische Artikel“ – eine Einführung

 

von Volker van der Locht

 

Was kommt in dem „Historischen Artikel“? So lautete eine Frage über viele Jahre bei der Planung der jeweils nächsten newsletter-Ausgabe. Gut fünfzehn Jahre war er dort eine konstante Größe. Was hatte uns damals motiviert, das Thema Nationalsozialismus „am Kochen“ zu halten, trotz und jenseits des häufig geforderten Aktualitätsdrucks im Journalismus?

Als wir die Konzeption des newsletters als Nachfolgeprojekt der „randschau“ entwickelten, standen wir vor dem Problem, was können wir überhaupt leisten, den Umfang und die Themenvielfalt der Randschau konnten wir schon allein personell nicht bewältigen. Eine Überlegung führte zu dem historischen Artikel, weil es kein Gedenkdatum oder gar ein offizieller Gedenk-feier-tag für die Opfer von Zwangssterilisation und „Euthanasie“ in der Bundesrepublik gab und bis heute immer noch nicht gibt. Anders gesagt: Wenn es keinen solchen Gedenktag gibt, müssen wir uns unsere Erinnerungsdaten selbst schaffen.

Vorbild für die Kolumne war der täglich ausgestrahlte historische Rückblick im „Zeitzeichen“ des WDR 2 Radios. Entsprechend der vierteljährlichen Erscheinungsweise des newsletters sollte also viermal im Jahr in einem Beitrag an die Kranken- und Behindertenselektion erinnert werden. So entstand der historische Artikel erst übertitelt mit: „Vor 60 Jahren“, später mit: „Vor 70 Jahren“.

Die Erscheinungsweise barg aber auch einige Tücken. Auf der einen Seite gab es zu manchen Jahren eine Fülle von Daten, die einer Erinnerung würdig waren. Dazu zählt zum Beispiel das Jahr der NS-Machtergreifung 1933. Die Vielzahl der Gleichschaltungsmaßnahmen diverser Organisationen und Institutionen des Fürsorge- und Behindertenwesens hätte es erlaubt, mehr Beiträge zu verfassen. Die vier Zeitungsausgaben pro Jahr begrenzten aber die Anzahl der Veröffentlichungen. So klafft in der Chronologie so manche Lücke. Auf der anderen Seite gab es Jahre, in denen scheinbar nichts passierte. Trotzdem gelang es immer wieder ein Ereignis der NS-Geschichte zu finden und mit unserer Thematik zu verknüpfen – auch wenn das Ereignis auf den ersten Blick recht abseitig war. Das trifft beispielsweise auf den Beitrag zur Olympiade 1936 im newsletter Nr. 24/2006 zu.

Problematisch war auch die Reichweite eines möglichen Themas. Manche der interessanten Themen hatten nur lokale oder persönlich-individuelle Bedeutung, die nicht unbedingt von Interesse aller LeserInnen des bundesweit erscheinenden newsletters waren. Denn es sollte mit dem Artikel an ein Datum erinnert werden, an dem möglichst viele gedenken konnten. Von daher war es Absicht, einen Beitrag zu verfassen, der auf ein Ereignis des kommenden Quartals verweist – also in einer März-Ausgabe sollte das Erinnerungsdatum in den Monaten danach bis zum Juni liegen – was leider nicht immer gelang. So sollte zumindest Aktionsgruppen die Gelegenheit gegeben werden, dazu selbst etwas zu machen, eine Veranstaltung, eine Aktion, was auch immer. Ob es dies so aufgegriffen wurde, wer weiß? Aber es gibt immer wieder Gelegenheit dies nachzuholen oder zu wiederholen. Deshalb sind hier die Beiträge des „Historischen Artikels“ im Folgenden chronologisch angeordnet, um Interessierte für mögliche Aktionen anzuregen.

 


 

1933

 

1. April 1933: 
Beginn des so genannten „Judenboykotts“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 11  I  März 2003, S. 4)

 

14. Juli 1933: 
Verabschiedung des Zwangssterilisationsgesetzes.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 12  I  Juni 2003, S. 4)

 

24. November 1933: 
Verabschiedung des „Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 13  I  September 2003, S. 4)

 


 

1934

 

Anfang 1934:
„Die häuslichen Verhältnisse der Familie W. sind denkbar ungünstig“. Etablierung der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) in der NSDAP.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 14  I  Dezember 2003, S. 4)

 

17. Mai 1934: 
„Ich schwöre Adolf Hitler, meinem Führer, unverbrüchliche Treue und Gehorsam“. 
Gründung der NS-Schwesternschaft.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 15  I  März 2004, S. 4)

 

3. Juli 1934: 
Verabschiedung des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 16  I  Juni 2004, S. 4-5)

 

„daß man, um wirklich als Hebamme arbeiten zu können, zunächst überzeugte Nationalsozialistin sein muß.“

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 17  I  September 2004, S. 4)

 

1934
„Wer in der Natur nicht besteht, verfällt der Ausmerze.“ 
Einrichtung eines Lehrstuhls für Biologische Medizin an der Universität Jena

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 18  I  Dezember 2004, S. 4)

 


 

1935

 

1935
„Aus dem Dunkel der Nacht“ 
Zur Veröffentlichung des Eugenik-Manifests von Hermann Joseph Muller.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 19  I  März 2005, S. 4-5)

 

26. Juni 1935: 
Verabschiedung des „Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 20  I  Juni 2005, S. 4-5)

 

18. Oktober 1935:
Vom „Wert der Ehe für völkische Belange“ Zur Verabschiedung des „Gesetzes zum Schutz der Erbgesundheit des deutschen Volkes“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 21  I  September 2005, S. 4-5)

 


 

1936

 

4. Februar 1936: 
Verabschiedung des „2. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 22  I  Dezember 2005, S. 4)

 

8. Februar 1936: 
Erlass des Reichsinnenministers zur erbbiologischen Bestandsaufnahme in den Heil- und Pflegeanstalten.
„Die von mir verfolgten erbbiologischen Maßnahmen stehen und fallen mit der Sippe. 

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 23  I  März 2006, S. 4-5)

 

August 1936:
Olympia, Kirchenkampf und „Euthanasie“. 
Einige Hintergründe zur Olympiade.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 24  I  Juni 2006, S. 4)

 

22. September 1936:
„aufgelöst und verboten“. 
Ein erster Versuch zum Verbot des anthroposophischen Heilinstituts „Haus Spitzner“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 25  I  September 2006, S. 6)

 


 

1937

 

Januar 1937:
„Die Gemeindeschwester steht für mich obenan“.  
Die Gemeindepflegestationen werden der NS-Volkswohlfahrt übertragen

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 26  I  Dezember 2006, S. 6)

 

1937: 
Die Gleichschaltung kirchlicher Anstalten in Hessen im Vorfeld der „Euthanasie“.
„… daß Kranke und Zöglinge die Betreuung erfahren, die ihnen nützlich ist…“. 

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 27  I  März 2007, S. 4f)

 

Sommer 1937: 
Die „Schwarze Schmach“ am Rhein. 
Die Sterilisierung der „Rheinlandbastarde“ und der Behindertenmord.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 28  I  Juni 2007, S. 6-7)

 

Ende 1937: 
Einrichtung des „Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 29  I  September 2007, S. 6)

 


 

1938

 

„in soldatisch-straffer Form … und nationalsozialistisch geführt“. 
Die Ausrichtung des Deutschen Roten Kreuzes auf den Krieg. 
Zum Inkrafttreten des DRK-Gesetzes am 1. Januar 1938.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 30  I  Dezember 2007, S. 5-6)

 

NS-Arbeitsmarktreformen. 
Die Aktion „Arbeitsscheu Reicht“ im April 1938.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 31  I  März 2008, S. 6-7)

 

6. Juli 1938:
Verabschiedung des Reichsschulpflichtgesetzes.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 32  I  Juni 2008, S. 6-7)

 

28. September 1938:
Die besondere Bedeutung des Berufs der Krankenschwester. 
Zur Verabschiedung des „Gesetzes zur Ordnung der Krankenpflege“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 33  I  September 2008, S. 7)

 

Zwischen „Verherrlichung der Mutterschaft“ und „Euthanasie“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 34  I  Dezember 2008, S. 7)

 


 

1939

 

Frühjahr 1939: 
Die Ermordung des Knauer-Kindes und die „Kindereuthanasie“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 35  I  März 2009, S. 7)

 

18. August 1939:
„Das Kind eignet sich für eine Behandlung durchaus“ 
Zum Erlass zur Meldepflicht behinderter Kinder.

(newsletter Behindertenpoli­tik Nr. 36  I  Juni 2009, S. 7)

 

Der Beginn der „Euthanasie“ im Osten.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 37  I  September 2009, S. 7)

 


 

1940

 

„… hat während der Schulzeit viel Dummheiten gemacht“. 
Der Beginn der Krankenmorde in Brandenburg und Grafeneck 1939/40.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 38  I  Dezember 2009, S. 6-7)

 

„Was nicht zu retten ist, kommt ins Krematorium und wird verbrannt.“. 
Beginn des Tötens in der Vergasungsanstalt Hartheim Linz ab Mai 1940.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 39  I  März 2010, S. 8)

 

Der Beginn der Ermordung jüdischer Behinderter und der Holocaust.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 40  I  Juni 2010, S. 6-7)

 

28. Oktober 1940: 
Beginn der Zusammenarbeit zwischen der Anstalt Brandenburg-Görden und dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung Berlin-Buch.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 41  I  September 2010, S. 6-7)

 

Herbst 1940: 
Einrichtung der „Euthanasie“-Anstalt Bernburg/Saale.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 42  I  Dezember 2010, S. 6-7)

 

Dezember 1940: 
Schließung der Euthanasie-Anstalt Grafeneck.
„... die unfaßliche Nachricht“ 

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 1  I  September 2000, S. 3)

 


 

1941

 

Eröffnung der Euthanasieanstalt Hadamar/Hessen.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 2  I  Dezember 2000, S. 3)

 

Beginn der Euthanasie an KZ-Häftlingen im Frühjahr 1941.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 3  I  März 2001, S. 7)

 

April 1941:
Manager der Vernichtung. 
Zur Gründung der „Zentralverrechnungsstelle Heil- und Pflegeanstalten“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 43  I  März 2011, S. 6-7)

 

9. Juni 1941: 
Die Gestapo-Aktion gegen Geheimlehren und das Verbot anthroposophischer Behindertenarbeit.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 44  I  Juni 2011, S. 6-7)

 

„Unternehmen Barbarossa“ - 
Der Krieg gegen die Sowjetunion und die Euthanasie.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 4  I  Juni 2001, S. 6)

 

„Bis zum 1. September 1941 wurden desinfiziert: 
Personen 70.273“. 
Zum so genannten Stopp der Erwachsenen-„Euthanasie“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 45  I  September 2011, S. 6-7)

 

Oktober 1941: 
Einrichtung des ersten Vernichtungslagers in Chelmno/Polen.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 5  I  September 2001, S. 6)

 


 

1942

 

Januar 1942: 
Meseritz-Obrawalde und Tiegenhof werden zu Massenvernichtungsanstalten.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 6  I  Dezember 2001, S. 6)

 

12. Januar 1942: 
„Euthanasie“-Fragebogen für so genannte „Gemeinschaftsfremde“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 46  I  Dezember 2011, S. 6-7)

 

12. März 1942:
15 Millionen Reichsmark für die Wissenschaft. 
Zum Forschungsplan des Psychiaters Carl Schneider.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 47  I  März 2012, S. 6-7)

 

Die Forschungsstellen der „Euthanasie“-Zentrale Brandenburg-Görden und Wiesloch.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 7  I  März 2002, S. 7)

 

Das T4-Vernichtungspersonal und die Judenvernichtung – 
Die „Aktion Reinhardt“ 1942/43.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 48  I  Juni 2012, S. 6-7)

 

28. Juli 1942: 
Berufung Karl Brandts zum „Bevollmächtigten für das Sanitäts- und Gesundheitswesen“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 8  I  Juni 2002, S. 6)

 

13. August 1942: 
Die „Euthanasie“-Anstalt Hadamar nimmt Massentötungen wieder auf.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 49  I  September 2012, S. 6-7)

 

Oktober 1942: 
Beginn des Mordprogramms „Vernichtung durch Arbeit“.
„Der Gedanke der Vernichtung durch Arbeit sei der beste“ 

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 9  I  September 2002, S. 4)

 

30. November 1942: 
„Hungererlass“ des Bayrischen Innenministeriums.
„… bei Besuchen auf den Stationen konnte man sich des Bettelns um Brot kaum mehr erwehren“. 

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 50  I  Dezember 2012, S. 6-7)

 

Dezember 1942: 
Himmler befiehlt die Einweisung von Roma- und Sinti-Mischlingen“ ins KZ Auschwitz.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 10  I  Dezember 2002, S. 4)

 


 

1943

 

5. März 1943: 
Beginn der „Schlacht um die Ruhr“ und die „Euthanasie“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 51  I  März 2013, S. 6-7)

 

24./25. Juli 1943:
Unternehmen „Gomorrha“. 
Die „Euthanasie“ und der Beginn der „Schlacht um Hamburg“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 52 Juni 2013, S. 6-7)

 

26. September 1943:
Zum Hirtenbrief der Katholischen Bi­schöfe. 
Verurteilung der Euthanasie. 

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 53  I  September 2013, S. 6-7)

 

November 1943: 
Auflösung der Vernichtungslager der „Aktion Reinhardt“.
Völkermord als Geschäft. 

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 54  I  Dezember 2013, S. 6-7)

 


 

1944

 

April 1944: 
Beginn der zweiten Phase der „Aktion 14f13“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 55  I  März 2014, S. 6-7)

 

31. August 1944: 
Wegfall der Meldungen von Anstaltsbetten wegen „totalem Kriegseinsatz“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 56  I  Juni 2014, S. 6-7)

 

November 1944: 
Errichtung eines Krematoriums in der bayerischen Anstalt Kaufbeuren.
„Der Ofen war täglich in Betrieb“ 

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 57  I  September 2014, S. 6-7)

 

12./13. Dezember 1944: 
Beginn des Abbaus der letzten Vergasungsanlage in Schloss Hartheim.
Nutznießer des Abbruchs. 

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 58  I  Dezember 2014, S. 6)

 


 

1945

 

Winter 1944/45: 
Die Intensivierung der „Euthanasie“ an kranken OstarbeiterInnen.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 59  I  März 2015, S. 6-7)

 

2. Juli 1945: 
Das „Medizinische Vernichtungslager in Kaufbeuren“.

(newsletter Behindertenpolitik Nr. 60  I  Juni 2015, S. 6)